„Lichtrahmen“
Entwurf einer Installation für das Projekt Folly. Orte zum Verweilen

 

Das Rhinluch ist eine Landschaft, deren spröder Reiz in ihrer Ruhe und Abgeschiedenheit liegt. Beinahe Stillstand empfindet der Besucher aus der Stadt, den es in diese Gegend verschlägt. Erst langsam wird er gewahr, dass Rhythmus und Dynamik dieser Landschaft eigenen Maßstäben folgen. Nicht nur scheue Tierarten wissen die Ruhe hier zu schätzen und wählen die Gegend schon seit langer Zeit als Rast- und Wohnplatz, sondern zunehmend auch Menschen, die Erholung und Entspannung suchen, die abseits spektakulärer Event- und Spektakelkultur die stille Macht der Natur auf sich wirken lassen wollen. Konfrontation mit sich selbst erwartet jeden, der sich auf diese stille Natur einlässt. Und das in einer Landschaft, deren eigene Identität schwer zu bestimmen ist.

• Identität
Es ist heute fast unmöglich eine Gegend zu finden der nicht ein Etikett verpasst wurde. Vom „Land der Frühaufsteher“ fährt man in die „Leipziger Freiheit“, erlebt „Vielfalt ganz nah“ oder ist „Immer eine Idee schneller!“. Alles muss „gelabelt“ werden, damit es im Bewußtsein einer abwechslungs- und sensationshungrigen Kultur einen Platz findet und hängen bleibt. Eine Landschaft ist entweder mondän, angesagt, spektakulär oder, wenn es zu all dem nicht reicht, dann ist es eben eine Nische, die ein auserlesenes Publikum anzieht, das die Vorzüge, die nicht jeder sieht, zu schätzen weiß, und die als „Geheimtipp“ bald in allen Büchern steht.

Für die Landschaft des Rhinluchs trifft das alles nicht zu. Was man in dieser Gegend weder jetzt noch in Zukunft erwartet, sind große Bauvorhaben oder spektakuläre „Aufschwung“-Projekte. Schon zu oft wurde im Osten Deutschlands ein glanzvoller Rahmen geschaffen für ein Leben, das nicht stattfindet. Auch 20 Jahre nach der Wende wird noch nach einem Label gesucht. Ob die Menschen vor Ort ihre Identitätssuche vielleicht schon längst bewältigt haben ist eine andere Frage. Das Ringen um Anerkennung im Ranking der Regionen duldet kein langsames Wachstum. Der Wert der Landschaft aber liegt vielleicht gerade in ihrer Langsamkeit, Unzugänglichkeit, Kontinuität, in der Abwesenheit von jeglichem Aktionismus.

• Projektbeschreibung
Ein Lichtrahmen wird in die Landschaft gesetzt. Leuchtstofflampen bilden ein großes leuchtendes Rechteck von ca. 4 x 5 m, das durch ein Gerüst ca. 2 Meter über dem Boden gehalten wird. Die Konstruktion erinnert an Träger von Informationstafeln an Baustellen, die über ein Bauprojekt aufklären. Eine Tafel fehlt hier allerdings, der Rahmen ist leer, er rahmt nichts ein. Dafür leuchtet er verheißungsvoll.
Tagsüber wirkt die Konstruktion wie eine Vorbereitung für eine großformatige Ankündigung oder Werbung. In der Dämmerung und nachts leuchtet der Rahmen mit großer Fernwirkung. Es entsteht hier also kein Bauprojekt, stattdessen bestenfalls die Vorstellung von einem solchen. Die Konstruktion mit Ankündigungscharakter ist selbst das Bauwerk. In Gedanken kann jeder sein eigenes Bauwerk hier entstehen lassen.

Aber nicht nur diese Wirkung ist möglich. Das Projekt Lichtrahmen verstehe ich als vieldeutige temporäre Setzung in einer als widersprüchlich empfundenen Landschaft. Obwohl als weit hin sichtbare Licht-Arbeit konzipiert, will es keinesfalls einseitig Optimismus, gute Laune oder simple Wohlfühlatmosphäre verbreiten. Es setzt vielmehr ein ernstes Zeichen, welches für die Nachdenklichkeit steht, die das Erlebnis dieser Landschaft hinterlässt. Es markiert auch Sprachlosigkeit angesichts des Fehlens jeglicher äußerer Höhepunkte und der Magie einer aus sich selbst heraus lebenden Landschaft, die sich einer Bearbeitung und Ausbeutung durch den Menschen weitestgehend entzieht.

Das Projekt Lichtrahmen rahmt Teile der Landschaft symbolisch ein, setzt das ins „Licht“, was bereits da ist. Je nach Position des Betrachters wird ein konkretes Stück der Landschaft „eingerahmt“. Der leere Rahmen steht aber auch für leere Erwartungen, uneingelöste Versprechen, Sehnsüchte. Im positiven Sinne steht er für Offenheit. Die Vorstellungskräfte werden aktiviert angesichts der Dringlichkeit, welche die leuchtende Rahmung eines leeren Feldes erzeugt.

Daniel Schörnig

Vita

1965

geboren in Leipzig, arbeitet und lebt in Leipzig

1989-1995

Studium der Malerei bei Arno Rink und Medienkunst bei Helmut Mark an der Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) Leipzig

1997-2004

Aufbaustudium an der HGB Leipzig, Fachrichtung Medienkunst bei Helmut Mark, Meisterschüler

2000-2005

Künstlerischer Mitarbeiter an der HGB Leipzig, Klasse für Medienkunst, Prof. Helmut Mark

Stipendien

2009

Katalogförderung der Kulturstiftung Sachsen

2000

Stipendium Künstlerhaus Schloß Wiepersdorf

1999

Projektstipendium der Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig

1997-1999

Meisterschülerstipendium des Freistaates Sachsen

 

Ausstellungen, Projekte (Auswahl)

2010

Die Dinge des Lebens, Kunsthalle der Sparkasse Leipzig

2009

Werkschau, Leipziger Baumwollspinnerei, Leipzig

2008

Box No. 117 Kunst am Bau, Sanierungsobjekt Boxhagener Str.117, Berlin; Play it,, Stuttgart, Kurator: Werner Meyer; Famed, Kossack, Schörnig Galerie Brigitte March, Stuttgart

2007

Geheime Leere, Galerie Delta 35, Berlin (E)

2006

Gray Goo, Galerie Brigitte March, Stuttgart (E)

2005

Informationen am Mittag, Galerie b2_, Leipzig (E); Schwarzmarkt, Galerie b2_, Leipzig; Laden für Nichts, Galerie Brigitte March, Stuttgart

1998-2004

Kunstraum B/2 Leipzig, Gründungs- und Leitungsmitglied; Konzeption, Organisation und Betreuung von ca. 50 Ausstellungsprojekten unter Beteiligung, nationaler und internationaler KünstlerInnen

2004

Color-TV #4, Laden für Nichts, Art Frankfurt

2003

Color-TV #3, Kunstverein Leipzig. Projektgalerie (E)

2002

Color-TV #2, Laden für Nichts, Leipzig (E)

2000

Coloured Light District, Installation im öffentlichen Raum, Leipzig (E); Concurrent Units, Konzeption und Realisierung von 10 Einzelausstellungen in einer Gruppenausstellung, Kunstraum B/2 Leipzig; Mens in Corpore, Galerie der Leipziger Kunsthochschule (HGB); COLOR-TV #1 Ausstellungshalle Schloß Wiepersdorf (E)

1999

p = 3,14159..., Galerie Pankow, Berlin

1998

Normalzubehör, Installation, Artco-Projektraum, Leipzig (E); Vorab, Kunstraum B/2, Leipzig; Slash-Temp, Kontorhaus Berlin

1997

Labland, Galerie Eigen + Art, mediaLabE+A, Leipzig

1995

Neue Informationen über eine gesuchte Person, Installation und konzeptionelles Fotobuch, Grassimuseum Leipzig (E)

1993

Gefangene Sonne, Galerie der HS für Grafik und Buchkunst Leipzig (mit Thomas Flemming)